Schweizer Vermögensverwalter: Update zur FINMA Bewilligungspraxis

Schweizer Vermögensverwalter brauchen bis spätestens am 31.12.2022 eine FINMA Bewilligung und müssen von einer Aufsichtsorganisation beaufsichtigt werden. Es gibt gute Gründe, das Bewilligungsgesuch bereits dieses Jahr einzureichen. Mehr dazu in unserem letzten Beitrag „FINMA Unterstellung Schweizer Vermögensverwalter – Praktische Aspekte“.  

Die nachfolgend erläuterte Praxiserfahrung der FINMA bestätigt nun, dass die Vermögensverwalter mit der Gesuchseingabe nicht zuwarten, sondern sicher besser frühzeitig mit den für ihr Geschäftsmodell relevanten Bewilligungsvoraussetzungen auseinandersetzen sollten. 

Einige „First Mover“ sind bereits lizenziert

In der Publikation („Erste Erfahrungen im Bewilligungsprozess Vermögensverwalter und Trustees“; den Link zu dieser Publikation finden Sie am Ende dieses Beitrags) teilt die FINMA ihre ersten Erfahrungen und Erwartungen an die Gesuchsteller mit. Bislang seien 95 Gesuche eingegangen und 36 Vermögensverwalter bewilligt (Stand April 2021). Abgelehnt wurden noch keine Gesuche, was im ersten Moment positiv zu werten ist. Es muss aber berücksichtigt werden, dass zu diesen „erstbewilligten“ Vermögensverwaltern praktisch ausschliesslich Vermögensverwalter zählen, die Teil einer inländischen Gruppengesellschaft (z.B. die banklizenzierte Aquila AG) und somit in ein der FINMA längst bekanntes und überwachtes „Setting“ eingebunden sind. Lediglich acht „eigenständige“ Vermögensverwalter erscheinen (Stand anfangs August 2021) auf der FINMA publizierten Liste der bewilligten Vermögensverwalter.

Risikobasierte Bewilligungspraxis

Die FINMA wiederholt, dass sie das Augenmerk auf die ihrer Ansicht nach risikobehafteten Geschäftsmodelle setzt, damit ein einheitlicher Qualitätsstandard sichergestellt werden kann. Nur wer seine Risiken richtig erfasst, steuert und angemessen überwacht, erhält das FINMA Gütesiegel. Die FINMA erwarte daher die „Bereitschaft zur Vornahme der für die Bewilligungsfähigkeit erforderlichen Anpassungen z.B. hinsichtlich Organisation, Prozesse, Ressourcen, etc.“ Zudem sollten die Gesuche „qualitativ hochstehend“ sein und via korrekten Prozess (insbesondere vorgängiger Anschluss an eine Aufsichtsorganisation) erfolgen.    

Auf jeden Fall macht die FINMA unmissverständlich klar, dass „ohne Umsetzung der erforderlichen Anpassungen (eventuell Ressourcenaufbau, Trennung von Risk und Compliance, Outsourcing mittels Beizug von externen Dienstleistern) keine Bewilligung erteilt wird“. 

Trennung von Risk/Compliance und unabhängiger Verwaltungsrat (Anwendungsfälle)

Sodann erläutert die FINMA ihre Erwartungen zu zwei zentralen Fragen, nämlich für welche Geschäftsmodelle (i) eine operationelle Trennung von Risk und Compliance und/oder (ii) die Ernennung eines unabhängigen Verwaltungsratesnotwendig sind. 

Gemäss der Verordnung zum Finanzinstitutsgesetz (Art. 26 Abs. 2 FINIV und Art. 23 Abs. 3 FINIV) müssen die obgenannten Anforderungen (i) und (ii) nicht erfüllt werden

  • bei weniger als 5 Vollzeitbeschäftigten oder einem jährlichen Bruttoertrag kleiner als CHF 2 Mio. und sofern kein „Geschäftsmodell mit erhöhten Risiken“ vorliegt (Anforderung (i) muss nicht erfüllt werden);
  • bei weniger als 10 Vollzeitbeschäftigten und einem jährlichen Bruttoertrag kleiner als 5 Mio. und sofern Art und Umfang der Tätigkeit dies nicht erfordern (Anforderung (ii) muss nicht erfüllt werden). 

Nebst den klar definierten Schwellenwerten nennt der Gesetzgeber kumulativ zwei auslegungsbedürftige Voraussetzungen („kein Geschäftsmodell mit erhöhten Risiken“ sowie „Art und Umfang der Tätigkeit“), welche weder im Gesetz noch in der Literatur genauer erläutert oder beispielhaft erklärt werden. Dies führt zu Rechtsunsicherheit und verleiht den Behörden und insbesondere der FINMA einen grossen Ermessensspielraum. Mit Bezug auf die Zuwahl eines unabhängigen Verwaltungsrates ergänzt die FINMA in ihrer Publikation die gesetzliche Terminologie „Art und Umfang der Tätigkeit“ um den Passus „bzw. risikobehaftetes Geschäftsmodell“ und stellt klar, dass sie auch diesen Aspekt hauptsächlich aus einer Risikoperspektive beurteilt.

Die FINMA gibt in ihrer Publikation zu verstehen, dass die Auslegung des Begriffs „Geschäftsmodell mit erhöhten Risiken“ in ihrem Kompetenzbereich liegt und zählt hierzu exemplarisch einige Beispiele auf, für welche im Grundsatz eine operative Trennung der Risikokontrolle notwendig sei (notabene auch unterhalb der genannten Schwellenwerte!). Dies gelte insbesondere für Vermögensverwalter, welche

  • Vermögen von Anlagefonds und von Vorsorgeeinrichtungen unter den „de-Minimis Regeln“ verwalten;   
  • ausländische Depotbanken hinzuziehen;
  • über eine bestimmte heterogene ausländische Kundenstruktur oder Kundenstruktur mit Fokus auf eine bestimmte ausländische Region verfügen; 
  • Anlageinstrumente mit potenziellen Interessenkonflikten einsetzen;
  • über eine unbeschränkte Vollmacht verfügen; 
  • hohes Anlagevolumen verwalten: AuM > CHF 1 Mrd.

Des Weiteren zählt die FINMA beispielhaft die ihrer Ansicht nach „risikobehafteten Geschäftsmodelle“ auf (praktisch identisch zu den Obgenannten) und erklärt in der Folge zu jedem Beispiel die Risiken und Erwartungen an den (zukünftigen) bewilligungspflichtigen Vermögensverwalter, mitunter, ob eine Trennung von Risk und Compliance von den operativen Einheiten tatsächlich vorgenommen werden muss:  

  • Beizug ausländischer Depotbanken
  • Einsatz von Anlageinstrumenten mit potentiellen Interessenskonflikten
  • Ausländische Kundenstrukturen
  • Entschädigungen von Dritten (Retrozessionen, etc.)

Während die FINMA für die ersten beiden Beispiele die Trennung der Risk und Compliance Funktionen klar bejaht, ist das Dritte Beispiel („ausländische Kundenstrukturen“) nur ein möglicher Grund für eine Trennung. Keine Angaben zur Trennung macht sie, falls Entschädigungen von Dritten („Retrozessionen“) angenommen werden, weist aber auf die altbekannten Risiken hin (kein gültiger Kundenverzicht, zivil- und strafrechtliche Risiken).   

Welche Fälle unter einer „heterogenen ausländischen Kundenstruktur oder Kundenstruktur mit Fokus auf eine bestimmte ausländische Region“ zu subsumieren sind, wird von der FINMA leider nicht näher erläutert, was aus Rechts- und Planungssicherheit aber wünschenswert wäre.

 „Anlageinstrumente mit potentiellen Interessenskonflikten“ ist ebenfalls weit gefasst und als Praxisbeispiele nennt die FINMA die Verwaltung von Anlagefonds und die „Actively Managed Certificates“ (AMC). Diese Instrumente beinhalten, gemäss FINMA, Betrugsrisiken und die Gefahr von nicht offengelegten „Double Dips“ (doppelte Verrechnung von Gebühren). Es fragt sich, ob die FINMA hier ihr Ermessen allenfalls überschreitet, da diese Risiken eigentlich bereits von den FIDLEG Verhaltensregeln (u.a. die Treue-, Transparenz- und Rechenschaftspflicht) auf Produkte- und Dienstleistungsebene schon geregelt sind. 

Ob die obigen Beispiele auch die zusätzliche Ernennung eines unabhängigen Verwaltungsrates erfordern, geht aus der Publikation nicht hervor.

Frühzeitiges Handeln ist angesagt!

Gestützt auf die FINMA Publikation und die darin erwähnten Beispiele, wendet die FINMA somit eine restriktive Bewilligungspraxis an, was die operationelle Trennung von Risk und Compliance und die Notwendigkeit eines unabhängigen Verwaltungsrates anbelangt. 

Vermögensverwalter, welche unsicher sind, ob sie die eine oder andere (oder sogar beide) Anforderungen erfüllen müssen, sollten besser frühzeitig Rat einholen. Die Erfüllung beider Anforderungen (oder auch nur einer davon) kann zusätzliche und mithin kostspielige Ressourcen (zusätzliche Mitarbeiter oder Outsourcing-Lösungen, Wahl von zusätzlichen Verwaltungsräten etc.) nötig machen und für kleinere Strukturen allenfalls sogar das Ende bedeuten. Der Entscheid, ob die Anforderungen von einem Vermögensverwalter erfüllt werden müssen, sollte somit frühzeitig abgeklärt und nicht dem „Zufall“ überlassen werden. Wer sich als der FINMA unterstellungspflichtiger Vermögensverwalter heute mit diesen Anforderungen auseinandersetzt, kann jetzt noch etwaige organisatorische oder prozesstechnische Anpassungen an seinem Geschäftsmodell vornehmen oder eine für den konkreten Fall passende Lösung bzw. Alternativlösung suchen. Taucht das „Problem“ erst im Rahmen des Bewilligungsprozesses auf, wird sich (auf die Schnelle) vermutlich keine passende und nachhaltige Lösung finden lassen.

Die oben genannte FINMA Publikation kann hier abgerufen werden: https://finma.ch/de/dokumentation/dossier/dossier-vermoegensverwalter-und-trustees/